Monster unter´m Bett oder Kinderängste verstehen

Als ich ca. 7 Jahre alt war, lag ich abends im Bett und der lange Vorhang verwandelte sich plötzlich in ein Gespenst. Ich war mir ganz sicher, dass ES vor mir stand. Ich spürte einen zunehmenden Schrecken, der langsam in mir hochkroch und mein Herz schneller schlagen ließ…
Was mir damals half? Meine 8 Jahre ältere Schwester, die für uns jüngere Geschwister eine wichtige Bezugsperson war. Sie legte sich zu mir ins Bett, weil wir uns damals ein Zimmer miteinander teilten. Ich fand Ruhe und konnte einschlafen.

Diese persönliche „Geschichte“ beschreibt sehr gut eine typische Situation bei Kindern, in der plötzlich Angst aufkommt und was wir dagegen tun können. Das Verblüffende an diesem Thema ist, dass Ängste manchmal erst viel später als zum ursächlichen Entstehungszeitpunkt auftreten können, also  zeitversetzt, an einem anderen Ort, in einem anderen Kontext!

Was ist Angst?
Versuchen wir uns einmal die Angst von mehreren Seiten aus anzuschauen: „ Angst ein vages Gefühl von Unsicherheit, das heißt, etwas „alarmiert“ uns, weil „irgendetwas“ nicht stimmt“, so Prof. Gordon Neufeld. Wir werden unruhig, unsicher und das alles sind sehr verletzbare Gefühle! In uns entstehen Schreckensszenarien oder Panik. Kinder sehen plötzlich „Monster unter´m Bett“  oder die Gardine verwandelt sich in eine Horrorgestalt. Sie wollen nicht mehr schlafen gehen, fürchten sich, haben Alpträume. Doch „Monster“ sind (nur) eine Projektion des Alarms.

Aber was alarmiert uns?

Die größte Ursache von Angst ist eine latent vorhandene Trennungsangst oder ein „Trennungsalarm“. Kinder und ganz besonders Kinder unter 7, können noch nicht mit langer Trennung umgehen, auch wenn es so scheinen mag. Ihr Gehirn ist dafür noch nicht ausgereift und ihre sechs Bindungswurzeln sind noch nicht so weit entwickelt, um längere Trennungen zu überbrücken. Die Natur gibt uns dafür im besten Fall die ersten 6 Lebensjahre, damit sich diese tiefen Bindungswurzeln entwickeln können. Es geht also in den ersten sechs Lebensjahren um „Verwurzelung“ und nicht um „Fliegenlernen“: Ohne tiefe Wurzeln ist Fliegen nicht möglich!

Wir Menschen sind Bindungswesen
Das Wissen um die Bindungsforschung hilft uns, warum Kinder Ängste entwickeln können. Eines von den zwei wichtigsten Zielen in der Evolution ist Bindung: Ohne Bindung ist das Sprechen lernen nicht möglich – ohne Bindung essen Kinder nicht. Ohne Bindung hätte auch die Evolution nicht überlebt.

Was ist Trennung?
Beispiele für Trennung sind Schlafenszeiten, in denen Kinder die größte Trennung erleben (können). In der Dunkelheit ist alles noch beängstigender als zur hellen Tageszeit. Die Ankunft eines neuen Geschwisters. Wenn die Familie umzieht, d.h. sich das Umfeld ändert, zu lange Tagesbetreuung oder ein Wechsel zwischen getrenntlebenden Eltern. Bezugspersonen, die zwar physisch, aber nicht psychisch anwesend sind…
Auch wenn Kinder das Gefühl haben, nicht wertgeschätzt zu sein im eigenen „So Sein“. Wenn sie nicht bevorzugt werden von denen, an die sie gebunden sind, das alles kann ein Gefühl unerträglicher Trennung hervorrufen. Oder wenn sich Kinder darum sorgen, dass den Bindungspersonen etwas zustoßen könnte, auch wenn es nur ihrer Vorstellung entspringt. Ständig wechselndes Betreuungspersonal in Einrichtungen und so weiter.

Diese Beispiele sind sicher noch leicht nachvollziehbar, doch es gibt auch Beispiele von „verborgenen Gesichtern der Trennung“, wie:
sich verantwortlich zu fühlen für das Befinden/ die Gefühle der Eltern/ Lehrer/ Erzieher: „Du machst mich traurig, wenn du nicht lieb bist oder nicht hörst, was ich dir sage.“ Auch das Gefühl zu haben, zu schwierig oder zu anstrengend für Eltern und Lehrer zu sein.

Wie oft hören wir das? Kindern wird damit die Verantwortung übertragen, für die Gefühle der Erwachsenen zuständig zu sein! Natürlich sind auch die trennungsbasierten Erziehungsmethoden angstfördernd, wie Liebesentzug, Ignorieren und Anschweigen oder Anweisungen wie:  „Geh auf dein Zimmer, ich will dich nicht mehr sehen“ oder die Auszeiten, die meiner Meinung nach nichts anderes sind als „Strafen in Glanzfolie verpackt“. Ein Kind unter 7 kann darüber noch nicht reflektieren, warum es so starke, heftige Gefühle hat,  weil sein Gehirn dazu noch nicht in der Lage ist. Das lernt es frühestens zwischen dem 5.-7. Lebensjahr, wenn sich der präfrontale Cortex (die „Mischschüssel“ des Gehirns) entwickelt.

Nun zu  meinem eigenen persönlichen Beispiel zurück. Hier wird deutlich, was gegen Ängste helfen kann: Nähe und so viel wie möglich Trennungen zu reduzieren, nicht nur die physischen.

Je mehr wir für Kinder ein „sicherer Hafen“ sind, ihnen Geborgenheit und Ruhe ermöglichen, ihnen auch einen Raum anbieten, wo sie weinen dürfen, können sie sich sicher fühlen und Trost finden.
Kindern geht nicht anders als Erwachsenen, die sich nach dem Liebespartner sehnen, wenn sie voneinander getrennt sind. Das kennen Sie sicher auch, als Sie frisch verliebt waren!

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